Wir wollen mehr in die Tiefe gehen
DREI FRAGEN AN Chefredakteurin Viktoria Balon zum zehnjährigen Bestehen der InZeitung
Von Anja Bochtler, erschienen in der Badischen Zeitung vom 17. 8. 2020
Vielfalt ist das Markenzeichen der seit 2010 existierenden internationalen InZeitung des Migrantinnen- und Migrantenbeirats: In zehn Jahren haben 142 Autorinnen und Autoren, die aus 43 Ländern stammen, Beiträge für sie geschrieben. Drei Mal im Jahr landet sie mit dem städtischen Amtsblatt kostenlos in allen Briefkästen, finanziert mit einem städtischen Etat von derzeit 37 000 Euro im Jahr. Anja Bochtler sprach mit der Chefredakteurin Viktoria Balon, die eine der Gründerinnen ist.
BZ: Als vor zehn Jahren die erste InZeitung erschien, lag davor ein mühsames Ringen um die Finanzierung. Hätten Sie damals gedacht, dass es die Zeitung nach zehn Jahren noch geben würde?
Balon: Ob wir uns das damals so überlegt haben, weiß ich nicht mehr. Wichtig war uns, dazu beizutragen, dass sich die Medien in Deutschland ändern: Mehr Menschen mit Migrationsgeschichte sollten in den Medien arbeiten, ihre Themen dort stärker auftauchen. Wir wollen unsere Inhalte und Perspektiven einbringen können. Dieser Prozess ging in den vergangenen zehn Jahren zum Glück auch insgesamt gesellschaftlich voran.
BZ: Inzwischen greifen alle Medien viel öfter Themen auf, die im weitesten Sinne mit Migration zu tun haben. Und Men-schen mit Migrationserfahrung sind dort präsenter als früher, so wie der prominente Journalist Deniz Yükcel oder Pinar Atalay als Moderatorin der Tagesthemen. Ist die InZeitung überhaupt noch nötig?
Balon: Auf jeden Fall. Zum einen arbeiten – im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung – immer noch viel zu wenige Menschen mit Migrationsgeschichte in den Medien. Ihr Anteil wird auf etwa fünf Prozent geschätzt. Oft tun sie das zu schlechteren Bedingungen, zum Beispiel unbezahlt für Alternativmedien wie Radio Dreyeckland oder ungesichert als Freiberufler. Außerdem war ein wichtiges Ziel der InZeitung auch immer, der Freiburger Bevölkerung andere als die üblichen Perspektiven zu vermitteln. Migrationsthemen werden oft dramatisch und auf Probleme fokussiert dargestellt. Wir setzen etwas dagegen: Als 2015 alle von der Flüchtlingskrise sprachen, haben wir uns auf die Entdeckung der deutschen Gastfreundschaft in der Willkommenskultur konzentriert.
BZ: Kann es der Sache nicht auch schaden, wenn sich Menschen mit Migrationsgeschichte selber in eine Kategorie stecken, wie das bei der InZeitung geschieht?
Balon: Wir sehen das nicht als etwas Trennendes. Es geht uns um eine zusätzliche Kompetenz, nämlich um die Migrationsgeschichte. Die können natürlich auch Deutsche haben, die länger im Ausland gelebt haben. Wir nehmen gern auch deutsche Praktikantinnen und Praktikanten mit mindestens einem Jahr Auslandserfahrung auf. Sehr viele junge Deutsche erfüllen diese Voraussetzung, viele wollen ein Praktikum bei uns machen. Wir gehen davon aus, dass Migrationserfahrung zu größerer Empathie und Kenntnis für interkulturelle Themen führt. Wir wollen eine größere Bandbreite ermöglichen und mehr in die Tiefe gehen, als das sonst meist geschieht. Seit ich für die In-Zeitung arbeite, bin ich auch selbst im-mer wieder überrascht über die große Vielfalt hier, die ich dabei entdecke!