zurück

Die Stadt der Frühaufsteher

Was ist hier eigentlich so deutsch an Freiburg?

Meine Alten machen das – ich nicht. Foto: Ahmed Alrammah

Foto: Ahmed Alrammah

Das Gespräch führten Alexander Sancho-Rauschel und Viktoria Balon

Von außen lässt es sich viel besser beurteilen, was eigentlich Deutsch oder international an Freiburg ist.

In einem von InMedien organisierten Workshop denken Studierende vom Goethe-Institut darüber nach, was sie als typisch deutsch und was sie als typisch freiburgerisch empfinden. Und was wird als multikulturell erlebt?

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zwischen 22 und 29 Jahre alt. Sie planen hier in Deutschland als qualifizierte Spezialisten zu arbeiten, die gerade so dringend gebraucht werden. Die meisten sind schon etwa ein Jahr hier und haben bereits in anderen Städten in Deutschland oder in der Schweiz gelebt.

Was ist also für sie typisch deutsch?

Die Studierenden sind sich einig, dass es hier um Klischees geht. Aber, wie immer bei Klischees, stimmt daran auch manches. Sie sind insgesamt sehr wohlwollend in ihrer Kritik und sie sehen vieles positiv. Präziser waren Beobachtungen, die über Freiburg gemacht wurden:

Chun-Jung Wei aus Taiwan: »Für mich ist Freiburg eine junge Stadt, eine Universitätsstadt. Aber ich habe Freiburg extra gewählt, weil es für mich eine typisch deutsche Stadt ist. Ich kann in dieser kleinen Stadt mehr deutschen Lebensstil erleben. Im Sommer z.B. war ich mit einer Freundin im Schwarzwald spazieren und wir haben in einer Gaststätte die Fußball-WM gesehen: Das ist für mich typisch deutsch - mit Bier Fußball zu sehen! Es gibt hier viel mehr Deutsche im Unterschied zu anderen großen deutschen Städten. Und hier sprechen sie mit Dialekt, deshalb verstehe ich sie schlecht. Im Sommer laufen hier Leute ohne Schuhe auf der Straße, obwohl der Boden so heiß ist; das finde ich komisch. Es ist hier nicht wie in Berlin oder München, wo es viele multikulturelle Dinge gibt. Auch ausländische und internationale Geschäfte gibt es in Freiburg weniger. Die Internetverbindung ist hier schlechter, als bei mir zuhause, aber das betrifft Deutschland allgemein. Wenn ich im Zug Internet benutzen will, gibt es keine Verbindung. Und wenn ich im Institut den Computer benutze, gibt es keine chinesische Zeichen.«

Ahmed Alrammah aus Saudi-Arabien: »In Freiburg ist das Wasser sehr sauber. Die Berge und die Natur allgemein sind sehr schön, aber hier ist leider alles ein bisschen teuer. Vorher war ich in Berlin, das ist jetzt meine Lieblingsstadt: eine große Stadt, eine schöne Stadt, eine große Geschichte. Es gibt Unterschiede zwischen den Leuten hier in Freiburg und in Berlin: die Leute in Berlin gehen immer spät schlafen, dort bieten noch um Mitternacht Restaurants Essen an und es gibt Leute auf der Straße, die U-Bahn fährt ... es ist eine normale Stadt wie meine Stadt - international, lebendig. Meine Stadt Jeddah ist eine Touristenstadt; es gibt dort viele sehr bekannte Restaurants, es gibt Amerikaner, Asiaten und es gibt viele Ausländer. Es ist die multikulturellste Stadt von ganz Saudi Arabien. Freiburg ist zu ruhig, das mag ich nicht. Früh aufstehen, früh ins Bett gehen: meine Alten machen das, ich nicht.«

Chun: »In Taiwan stehen die Leute normalerweise um 6:30 Uhr auf, aber junge Menschen nicht. Bei uns fehlt kein Nachtleben. Und dass hier in Freiburg alle Geschäfte abends und an Sonntagen geschlossen sind, ist sehr ungewöhnlich.«

Ahmed: »Die Leute in Berlin sind wie bei mir zuhause, und es gibt dort viele Ausländer. Dort sprechen die Leute mit Ausländern und arbeiten mit denen. Es ist normal, einfach das Leben. In Freiburg gibt es auch Ausländer, aber nicht so viele wie in Berlin. Und es gibt Probleme. Viele Leute sind nett, aber hier gibt es auch Leute, die mögen keine Ausländer. Aber ich muss nicht in einer kleinen Stadt leben, ich lerne hier nur deutsch, kann in Berlin oder München mein Master machen.«

Santiago Camejo aus Venezuela: »Ich würde gern in Freiburg bleiben! Aber meine Uni ist in der Nähe von Mannheim. Toll ist das hier: es ist eine Stadt neben Wäldern. Ich mag Wald. Es gibt viel Energie von den Studenten, im Unterschied zu anderen Städten, wo meistens alte Leute sind. Fahrradfahren ist typisch hier und sehr ruhig. Freiburger machen keinen Krach, trotzdem gibt es viel Nachtleben, man kann spazieren gehen und kann feiern. Mir gefällt in Freiburg alles, ich bin echt zufrieden hier. International in der Stadt sind die Studenten. Bei uns in Caracas gibt es nicht so viele Ausländer, dafür Essen von der ganzen Welt.«

Fatma Safi aus Tunesien: »n Freiburg gibt es viele Studenten, viele junge Leute, sie sind offen. Aber wenn ich es mit der Schweiz vergleiche, wo ich lebe, sind die Leute hier manchmal ein bisschen unfreundlich. Schweizer sind höflicher, in Restaurants und auf der Straße und in den Geschäften. Als ich einmal in Freiburg kurz vor 8 Uhr im Geschäft war, waren die Verkäuferinnen sehr unfreundlich. Die Leute sagen nicht hallo, in der Schweiz sagen alle hallo.«

Rosilene Rmattos Brasilien: »Ich lebe auch in der Schweiz und ich finde die Deutschen höflicher. Wobei über Freiburg kann ich nicht viel sagen, ich wohne hier nicht, komme nur zum Unterricht. Nur eines: Es gefällt mir hier, es ist eine lebendige Stadt..«

Meine Alten machen das – ich nicht. Foto: Ahmed Alrammah

Foto: Ahmed Alrammah

zurück