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Korkoti

Von meiner Oma Gogota

Korkoti aus dem Hause Dewi  Foto: Susanti Dewi

Fotos: Susanti Dewi

Von Ketevan Bakhia

Eine Legende erzählt, dass Korkoti im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Pontos an der Küste des Schwarzen Meeres zum ersten Mal zubereitet wurde – als schlichte Fastenspeise. Die georgische Verköstigungskultur ist mit der Griechischen über Kleinasien verbunden. Die Stärke der gewürzreichen und duftvollen Essspezialitäten ist die Treue zur regio­nalen Tradition. So geschah es, dass Korkoti die Jahrhunderte überlebte.

Meine Großmutter Gogota kochte wie eine Göttin. Neben den vielen ­leckersten Kuchen und den besonderen Namen ihrer Gerichte, die in ihrem Rezeptblock zu finden waren, sah man oft in Klammern den Namen Jora geschrieben. Dies ist der Name des besten Freundes meiner Großmutter. Jora war anders: der Schneider, der Ratgeber, der Kunstkenner. Nicht zuletzt wurde Jora wie ein Gott der Koch- und Backkünste in unserer ­Familie verehrt. Oft hörte ich, wie meine Mutter seine Rezepte mit Kommas und Klammern, mit russischen und georgischen Begriffen am Telefon diktierte – meistens nach einem Geburtstagsfest. Dabei musste sie bei den Namen der Kinder schwören, dass sie nichts im Rezept verheimlicht hatte – weil die Verwandten und Freunde, die das Rezept ausprobiert hatten, sich bei ihr beschwerten, der Kuchen sei nicht so weich geworden wie bei meiner Mutter oder die Füllung nicht so nussig wie bei meiner Oma. Das sind diese Zauberhände – dachte ich. Vielleicht waren auch die Geister der Ahnen im Spiel?

Das Rezept von Korkoti kannte Gogota allerdings nicht von Jora, sondern aus ihrer Kindheit in der kleinen georgischen Stadt Kutaisi. Im Garten des Hauses mit dem typisch georgi­schen Holzbalkon, wo Gogota mit ihren Eltern und dem Bruder lebte, stand eine Holzhütte. In der Hütte lebte eine griechische Familie. Dort wurde Korkoti, diese süße Weizen­speise so gekocht, wie danach nur meine Oma es zu kochen vermochte.

Ich stelle mir vor, dass das kleine Mädchen Gogota oft bei den netten Nachbarn das Essen probierte. Der griechischen Mutter oder vielleicht der Großmutter muss sie beim Kochen zugeschaut haben. War Korkoti das einzige Rezept, was sie von den Griechen abguckte? – Das weiß ich leider nicht. Kochten die Griechen Korkoti auch am Weihnachtsabend oder in der Fastenzeit, entsprechend der orthodoxen Tradition des fleisch-, eier- und des milchlosen (modern: veganen) Speisens?

Gogota setzte am Morgen einen großen Topf mit Weizenkörnen auf den Gasherd. Fast den ganzen Tag durfte der Topf vor sich hin köcheln. Die Weizenkörner nahmen sich Zeit, gemütlich, entsprechend ihrer südländischen Natur, gar zu werden. Währenddessen bereitete Großmutter die Walnüsse für die Füllung vor. Wenn sie die Nüsse von der Ernte im Sommerhausgarten noch nicht geknackt und ausgelesen hatte, dann nahm sie ein Holzbrett, das durch die permanente Nutzung mit einer nussförmigen Delle ausgestattet war, und zerklopfte mit dem Hammer die harten Nussschalen – eine Nuss nach der anderen. Die Walnusskerne wurden dann mit einem länglichen Feldstein zerstampft. Mit der Nussmasse vermischte Gogota Zucker.

Wenn die Körner im Kochtopf nicht mehr knackig waren, wurden sie mit etwas Salz aufgekocht. Dann siebte Gogota den Inhalt des Topfes in einem Sieb (russisch: Durchschlag) und wusch den klebrigen Sud mit heißem Wasser ab. Die Füllung wurde in die warme Masse dazu gegeben und mit einem Holzlöffel gut durchgerührt.

Das Wichtigste beim Korkoti-Kochen ist, diese süße Speise Nachbarn vorbeizubringen.

 

Korkoti aus dem Hause Dewi  Foto: Susanti Dewi

Fotos: Susanti Dewi

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