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Wer ist dein Nachbar?

Wie finde ich heraus, wer heimlich meine Katze füttert? Fotos/Fotomontage: kwasibanane

Fotos/Fotomontage: kwasibanane

Kova tano tumaro komsija? ● кто твой сосед? ● შენი მეზობელი ვინ არის?
Who is your neighbor? ● ¿Quién es tu vesino? ● Koj e vasiot sosed?
מי הוא השכן שלי ?●  من هو جارك؟ 

InZeitung 17 vom 4. Dezember 2015: Editorial

»Ich habe den Bus nach Riegel gefah­ren, als eine Gruppe Jugendlicher einstieg. Sie haben irgendwas über Roma gesungen. Ich musste mich aufs Fahren konzentrieren und bekam nicht alles mit, aber die Lieder waren richtig rassistisch«, erzählt Adnan aus Syrien, der als Busfahrer arbeitet. »Ich bremste, ging zu ihnen und schrie: ›Wenn ihr nicht aufhört, fahre ich keinen Meter weiter und hole die Polizei!‹ Danach war es ruhig. Ein Fahrgast hielt den Daumen hoch. Ein paar Tage später hat mein Chef eine Lobesmail für mich bekommen. Das war gut, aber ich hätte mir mehr Solidarität der anderen Fahrgäste gewünscht.«

Darum geht es auch in unseren Schwer­punkt – um Solidarität zwischen allen, egal woher wir kommen, die als Nachbarn in einem Land leben, das dieses Jahr 70 Jahre Befreiung vom Faschismus gefeiert hat. Wie sieht es eigentlich heute mit Antiziganismus, Antisemitismus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit aus, haben wir uns gefragt. Und haben auch unangenehme Antworten bekommen, sogar in unserer gemütlichen Stadt, und auch von MigrantInnen. Das Leichteste wäre zu sagen, ich bin als Migrant selber Opfer von Vorurteilen, es ist nicht einfach für mich: bei der Jobsuche, bei der Schulwahl der Kinder, bei der Wohnungssuche. »Ganze Völker flüchten und kommen nach Europa und nach Deutschland! Es wird ja für alle sehr eng. Wo wohnen, wo arbeiten?«, schreibt eine Migrantin im Leserbrief und schlägt vor, mal »Stopp! Bis hier und nicht weiter« zu sagen.

Es gibt Migranten, die Solidarität und Menschlichkeit zeigen, die von Rassismus und Nationalismus schon zuhause die Nase voll hatten, die eigene Vorurteile sowie die ihrer Landsleute reflektieren können. Und es gibt andere, die die Vorurteile ihres Landes mitgebracht haben. Auch Xenophobe vernetzen sich leider international und interkulturell. Deshalb ist es wichtig, Rassismus in all seinen Facetten erkennen. Die Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem beseitigen und die Grenzen unserer Vorstellungswelten immer bewusster erweitern: Darüber wurde unserem Ersten Interkulturellen Literaturfestival gesprochen (S. 14–15).

Als Praxisübung hat unsere Redaktion eine Expedition in die interkulturelle Metropole Wien vorgenommen, entlang der alten Europäischen Magistrale, die von Paris durch Freiburg nach Wien geht – und viele unserer Vorstellungswelten verbindet. (S. 11–13)

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