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Leichtigkeit

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Foto: kwasibanane

Лекота  ● Leichtigkeit  ● Ease  ●  Легкість  ● Ligereza  ● Keveys
 nhẹ nhàng ● Légèreté  ● 楽  ● Leggerezza  ● Легкость  ● Levitate
Lekkość  ● Rahatlık  ● लपट   ● Ευκολία  ● სიმსუბუქე  

InZeitung 28 vom 27. September 2019: Editorial

»Die Sache ist, dass ich wieder Interesse an der Welt nehme, meinen Beobachtungsgeist versuche und prüfe, […] ob mein Auge licht, rein und hell ist […] und ob die Falten, die sich in mein Gemüt geschlagen und gedrückt haben, wieder auszutilgen sind? Schon jetzt […] giebt mir diese wenigen Tage her eine ganz andere Elasticität des Geistes« So schrieb Johann Wolfgang von Goethe in Italien 1786. Es gibt überraschend viele Situationen, in denen wir unsere Elastizität des Geistes trainieren, an Erfahrungen der anderen teilnehmen, die Last des Gewohnten wegschieben und zu jemand anderem werden wollen.

Sehr oft passiert das in unserer Freizeit. Genau da, wo wir uns endlich erlauben, leicht zu sein, ist unsere Weltoffenheit am größten. Man engagiert sich z. B. beim interkulturellen Theater, um mit ganz fremden Leuten in Kontakt zu treten, man tanzt zu Klängen der seltsamsten Musikinstrumente, erlebt bei Swing ironisch-verspieltes Miteinander der Geschlechter, man geht zu Biografiegesprächen, um seine Geschichte mit anderen zu teilen und um Geschichten aus unbekannten Welten zu hören. Und wenn diese traurig oder schockierend sind, beginnt man, über sie und über seinen eigenen Platz in der Welt neu nachzudenken, darüber, wie man eigene Probleme relativieren kann, um jemandem zu helfen. Die Leichtigkeit, mit der wir uns auf diese Weise verwandeln können, erscheint plötzlich enorm und kaum begrenzt zu sein.

Die weite und fremde Welt ist längst direkt vor der Haustür, sie ist umso leichter zugänglich, je schneller man aufhört, das Eigene immer mit sich zu schleppen, sei es Herkunft, Identität oder nur noch Gewohnheit. Dann ist sogar ein Flirt mit einem oder einer Fremden möglich, ein unverbindlicher Kontakt, der noch keine Liebe ist, aber schon eine Annäherung. Nicht immer leicht, aber sicher gut für die Elastizität des Geistes. Und wer weiß? Vielleicht können die Falten, die sich wegen der Sorgen und der Angst ins Gemüt unserer Gesellschaft eingegraben haben, auf diese Weise etwas getilgt werden. (T.A.)

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